Unterm Schutz des Schradlbaums

19.12.2019
"Das Jahresende naht mit großen Schritten und ich darf Ihnen ein frohes Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr 2020 wünschen. Vielen Dank für Ihre Lesetreue in diesem Jahr.
2020 jährt sich der Todestag des großen Gärtners und Staudenzüchters Karl Foerster zum 50. Mal. Freuen Sie sich mit mir auf meine Biografie Karl Foersters, die Mitte Januar im Ulmer Verlag erscheint.

Mit besten Gartengrüße und viel Spaß beim Lesen.
Ihre Antje Peters-Reimann"

In unseren Breiten gibt es nur wenige Gehölze mit immergrünem Laub und so verwund was wäre die britische Weihnacht ohne Ilex aquifolium? Aus dem Holz dieser Pflanze besteht übrigens auch der wirkmächtige Zauberstab des jungen Zauberers Harry Potter. Hinter dem botanischen Namen ver¬birgt sich die Europäische Stechpalme, auch unter dem Namen „Hülse“ bekannt, wodurch etwa Orte wie Hülsede oder der Geburtsort der bekannten Dichterin Annette von Droste-Hülshoff zu ihren Namen kamen. Wegen ihrer stacheligen Blätter kennt man Ilex aquifolium in der Eifel und im Hunsrück als Walddistel, während die Pflanze bei unseren österreichischen Nachbarn als Schralab, Schradl oder Schradlbaum bekannt ist – sie ist nämlich wegen ihrer dornigen Blätter den „Schradln“, nächtlichen Teufeln, verhasst. Die Briten kennen den Baum als „holly“ – und für sie muss der Griff ihrer Teekannen unbedingt aus Stechpalmenholz gedrechselt sein! Die Bezeichnung „Holly“ war zudem auch Namengebend für „Hollywood“, die Traumfabrik des amerikanischen Kinos.
In unseren Breiten gibt es nur wenige Gehölze mit immergrünem Laub und so verwundert es nicht, dass die Stechpalme bei Germanen, Kelten und Angelsachsen in hohem Ansehen stand – ähnlich wie die Mistel oder die Eiche. Der keltische „Winterkönig“ trug eine Krone aus Stechpalmenzweigen, der „Sommerkönig“ hingegen eine Krone aus Eichenlaub. Bei den Festen im Winter schmückten unsere Ahnen die Häuser mit Stechpalmenzweigen, ein Brauch, der sich in Großbritannien bis heute gehalten hat. Dort und in den USA verschenkt man zudem noch immer zu Weihnachten Zweige des Ilex als Zeichen der Freundschaft.  Gerade in der dunklen Jahreszeit galt der Baum mit seinen ledrigen, dornenartig gezähnten Blättern und leuchtend roten Beeren als Symbol des Glücks und der Hoffnung auf Neubeginn. In den Wäldern bilden Stechpalmen am geeigneten Standort oft nahezu undurchdringliche Dickichte, in denen die Menschen in früheren Zeiten Zuflucht vor Räubern oder kriegerischen Auseinandersetzungen suchten. Und so wurde der Ilex auch zum Symbol des Schutzes vor allem Bösen. Im Christentum benutzte man einst hierzulande Ilexzweige als Ersatz für echte Palmwedel, um bei den Prozessionen am Palmsonntag des Einzugs Jesu in Jerusalem zu gedenken. Daher trägt die Stechpalme in ihrem Volksnamen das Anhängsel „Palme“.
Aber auch zu anderen Dingen ließ sich der Ilex verwenden. So banden unsere Vorfahren mehrere Zweige zu einem dicken Bündel zusammen, befestigten dieses an einem Seil und reinigten damit Schornsteine von Ruß. Den Vögeln dienen die roten Beeren im Winter als willkommene Nahrung; Mensch, Hund und Katze sollten jedoch unbedingt die Finger und Pfoten davon lassen, denn bei ihnen verursachen die Beeren Brechreiz und Durchfälle. Da machen wir es doch lieber den Briten nach und verwenden die Zweige für adventliche oder weihnachtliche Dekorationen. Doch bitte Zweige aus dem Blumenladen und nicht direkt aus dem Wald, denn der Ilex steht unter Naturschutz. Wer mag, stimme sich beim Schmücken des Hauses mit dem alten englischen Lied ein: „Deck the Hall with boughs of holly“!

Text: Antje Peters-Reimann  www.Grünwort.de